Herr Mangia, weshalb haben Sie sich im Alter von 45 dazu entschieden, einen Berufsabschluss als gelernter Mechapraktiker zu machen?
Ich habe zwar viele Berufe ausgeübt, aber nie einen Abschluss gemacht. Ich habe mein Fachwissen im Job und an Abendkursen erworben. Da ich in Moutier bei einem Werkzeugmaschinenhersteller eine gute Stelle hatte, habe ich mir nicht viele Gedanken darüber gemacht. Als ich dann aber durch ein Rundschreiben erfuhr, dass ich auch in meinem Alter noch einen Abschluss machen kann, ergriff ich die Chance.
Was haben Sie sich damals davon versprochen?
Ich wusste es selbst nicht genau. Ich hatte ja auch ohne Abschluss eine gute Stelle. Aber ich spielte schon damals mit dem Gedanken, mich selbständig zu machen, und wusste, dass ein anerkannter Berufsabschluss dabei hilfreich sein würde. Auch wenn man sich für eine neue Stelle bewirbt, ist es schwierig, seine Fähigkeiten ohne anerkannten Nachweis belegen zu können.
Sie haben Ihr eidg. Fähigkeitszeugnis über den Weg der Validierung von Bildungsleistungen erlangt. Wie haben Sie die Validierung erlebt?
Bei der Validierung macht man keine Lehre mit Abschlussprüfung, sondern dokumentiert in einem Dossier, dass man bereits über die geforderten Kompetenzen verfügt. Das Dossier wird geprüft und wenn alles passt, erhält man ein EFZ oder EBA. Die Erstellung des Dossiers ist anspruchsvoll und zeitintensiv. Für mich war es eine herausfordernde und intensive Zeit. Da ich weiterhin Vollzeit arbeitete, musste ich alle schriftlichen Arbeiten am Abend und am Wochenende erledigen. Zudem bin ich ein Praktiker. Für mich war es eine Herausforderung, meine tägliche Arbeit in Worte zu fassen und mich theoretisch damit auseinanderzusetzen.
Wer hat Sie dabei unterstützt?
Meine Frau hat mich stark unterstützt. Ich habe die Unterlagen zu grossen Teilen in meiner Muttersprache Italienisch erarbeitet, meine Frau hat sie dann ins Französische übersetzt. Weitere Unterstützung erhielt ich vom Kanton Jura, der die Kosten für die Validierung übernommen hat. Und mein damaliger Arbeitgeber hat mir erlaubt, gewisse Fotos und Unterlagen für meine Berichte zu verwenden.
Wie fühlte es sich an, als Ihnen das eidgenössische Fähigkeitszeugnis endlich überreicht wurde?
Nach dieser anstrengenden Zeit war es ein grossartiges Gefühl, etwas in den Händen zu halten. Zwar hatte ich fachlich nichts Neues gelernt, das ich es geschafft hatte, hat mir aber bestätigt, wie gut ich tatsächlich bin. Und ich kann dies nun auch mit einem eidgenössisch anerkannten Papier beweisen.
Würden Sie die Validierung trotz des grossen Aufwandes weiterempfehlen?
Auf jeden Fall! Vor Kurzem hat mich ein junger Italiener kontaktiert, um mehr über die Validierung zu erfahren. Ich habe ihm klargemacht, wie wichtig es sein kann, etwas Handfestes in den Händen zu halten und dass es sich auch finanziell lohnen kann. Zwar wurde mir im Vorfeld von einem Prüfungsexperten gesagt, dass ich nicht mit einer Lohnerhöhung rechnen dürfe. Mein Arbeitgeber erhöhte meinen Lohn nach meinem Abschluss aber monatlich um über 300 Franken, ohne dass ich danach gefragt hatte.
Welches sind Ihre weiteren beruflichen Ziele?
Ich bin seit vier Jahren selbstständig und möchte meine Firma in den nächsten Jahren weiterentwickeln. Um meine Angebotspalette zu erweitern, benötige ich weitere Maschinen. Diese sind aber sehr teuer, weshalb ich erstmals genügend Geld erwirtschaften muss.
Quelle: Berufsbildungplus